James Brown
Er näselte heftig beim Sprechen. Auf eine
Art, die mich abzuwägen zwang: Stil oder Deformation, verarmter Adel oder ... doch nur
die Polypen.
Aber ich kam nicht richtig ins Brüten darüber. Sein perkussives
"Bitte" hatte ich weniger als eine solche verstehen, denn als finale
Aufforderung. Mein Auto mißfiel ihm. Stand zu dicht beim Eingang seines Restaurants.
Es strahlte. Gewissermaßen. Auf jeden Fall eine Aura aus, die dem Restaurant
nicht stand.
Du magst vielleicht denken: vor Flensburg sind die doch alle gleich, aber:
Irrtum.
Was hier parkte, war Persönlichkeitsverlängerung. Insignium, nicht
Effizienz.
Design zählte, nicht Nutzlast.
Und nach einer Weile siehst du auch: eigentlich kein wirklicher Parkplatz
hier. Eher Turnierplatz für einen Symbolkampf erster Güte. Ein stummer, stiller Kampf
vielleicht, aber durchaus der Schwergewichtsklasse zuzurechnen.
Animalische Energie in Chrom und Blech, nur leidlich domestiziert; du
glaubst, die Großkatze brüllt dir gleich ins Gesicht.
Oder dort: soviel militärische Virilität, wie das Zivilleben nur hergibt.
Kaum eine Überraschung, würde eine vollständig ausgerüstete Kampfeinheit aus dem
Vierradgetriebenen springen nur halt von Armani und Gucci ausgerüstet, versteht
sich.
Penaten, mobil und damit kühner geworden, finden ihren Platz auf
Kühlerhauben. Computereinheiten die ihrigen hinter Mattglasabdeckungen im Inneren.
Mein alter Fiat eher mit Symbolwirkung "coitus interruptus"
- hatte hier wirklich nicht zu stehen. Da mußte man einschreiten. Oder, wie in diesem
Fall: einnäseln. Denn egal, was die Gäste im Inneren verzehren mögen, das Restaurant
zehrte vom Blech. Auf dem Parkplatz davor.
Drinnen dann war man unter Männern.
Früher oder später du kannst drauf wetten werden sie
irgendwie unangenehm. Die Männergesellschaften. Das passiert halt, wenn Testosteron
Testosteron wittert.
Du kannst schon froh sein, wenn nicht irgendwann alle in die Ecken rennen um
ihr neues Revier zu markieren.
Ein Bemühtjovialer, der auf "Junge von nebenan" machte, löste
sich von seiner Gruppe. An seinem Typ mußte der noch dringend arbeiten, wenn du mich
fragst. Das mit dem "nebenan" kam höchstens hin, wenn du Nachbar des
Schulungszentrums "Außendienstmitarbeiter des Jahres" der vereinigten
Versicherungen bist.
Er kam neben mir zum Stehen, wartete wie ich auf den Service hinter der
langgestreckten, fast den ganzen Raum durchmessenden Bar.
Welchen Wein sie denn heute ausschenkten, wollte ich dann von der netten
Jungdame wissen (und natürlich: wie die sich wohl fühlen mochte, in der Löwengrube
purer Virilität aber das traute ich mich nicht zu fragen). Mit einem Lächeln, das
ich nicht zu deuten wußte zeigte sie mir die beiden in Frage kommenden Flaschen (alles
andere gehe extra ...).
Ein Sauvignon mit einem Markennamen, zu dem sich im Kleingedruckten
fast schon schüchtern Mondavi als Urheber bekannte und ein Cabernet Sauvignon.
Natürlich. Diesmal aus Spanien.
Ich probierte den Sauvignon. Der Seriöskumpel mit Weste neben mir auch.
War nicht mein Fall: ein plumper Buhler, vordergründig, irgendwie
aufgesetzt. Der Wein. Der Dreiteiler auch. Gefallen wollte dem der Wein auch nicht.
Ins Glas starrend schüttelte er - noch auf Fernsicht locker sichtbar - den
Kopf. Da stand dann wohl bald eine Cervikalstütze an, wenn der weiter so schüttelte.
"Weine", so verkündete er schließlich, "sind wie
Frauen."
Hatte ichs nicht geahnt! Ich strich die 50 Euro ein, die ich mit
mir gewettet hatte, daß das kommen würde.
Mit meinem Gesichtsausdruck, der die Frage an ihn suggerieren sollte, ob es
sich hier um eine qualifizierte Vermutung oder um die quasi empirische Quintessenz seines
bisherigen Lebens handele, lud ich ihn ein, mir weiter Saures zu geben.
Ich brauche das manchmal.
"Frauen und Wein. Entweder", so führte er seinen Aphorismus mit
apodiktischer Gewißheit fort, "eine Trophäe oder ein Trostpreis."
Erkenntnisgrund a priori vorausgesetzt hin, empirische Quelle her. Einfach
gut klingen muß so ein Aphorismus. Und er selbst fand den Klang offenbar überzeugend.
Denn beifallsheischend suchte er meine Augen. Die seinem Ohrfeigengesicht entschlossen
auswichen: das Fiat-Syndrom.
Du kannst keinen 7erBMW-Mann oder Lexuskutscher auf seinem Terrain schlagen
ebensowenig, wie du sie auf der Autobahn überholen könntest.
Möglich, daß sie die nächste schlüpfrige Kurve nicht kriegen und sich
überschlagen. Möglich, daß sie sich einmal nicht mehr bremsen können. Aber das machen
sie dann selbst. Du selbst hast gegen die keine Chance.
Willst du etwa davon anfangen, daß die Verdinglichung der Frau durch den
Mann letztlich - als Verdinglichung des Menschen durch den Menschen - auch ihn selbst
ergreift und er sich somit zu einem Gegenstand unter Gegenständen macht? Da kannst du
gleich Sanskrit reden.
Ich ging in meine Ecke. Trophäe oder Trostpreis. Winner or Loser.
Mann, was für eine Welt.
James Brown fiel mir ein: "its a mans, mans world
..."
Aber auch, was einem in so einer Welt so zwischen Trophäe und Trostpreis
alles entgeht. Die Freunde nämlich, die sich gegen solche Kategorien sperren. Und alles
andere eben außerhalb der mühsamen Symbolkämpfe.
Auch Wein. Natürlich.
Muß ich wirklich an den 2000er "Fanny Elisabeth" Pinot Gris von
Julien Meyer erinnern? Freundlich schmeichelnd fast, dabei charaktervoll und absolut
harmonisch. Weder Trophäe noch Trostpreis, Protzpokal oder Plastiktasse.
Oder an die vitalisierende 2001er Spätlese aus dem Winninger Uhlen vom
Freiherr von Heddesdorff?
An die überaus sympathischen Cotes du Rhone-Kumpel von Brunel oder/und
Charvin?
"This is a mans, mans world", aber wie sagt James zum
guten Schluß:
"He's lost in the world of man . He's lost in bitterness."
Hört.
Hört.
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