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Jerry Lambswool

Gestatten: Lambswool. Jerry Lambswool.
Special Agent des FBCIA.
Es ist ein dreckiger Job. Aber ich sehe das so:
man kann nicht ein Leben lang im Sagrotan-Dunst leben.
Und Trüffel findet man nicht in Seidentüchern.
Hey, es ist doch so, wie unser Präsident sagt: Menschen und
Fische können sicher in friedlicher Koexistenz zusammenleben
und immer mehr Importe kommen aus dem Ausland.
Aber sonst ist nichts sicher, außer, daß es eine unsichere
Welt ist in der wir sicher sein können, daß es in ihr Verrückte
gibt und Schurken die uns wiederum in Unsicherheit stürzen in
der wir verzweifelt nach Sicherheit suchen die uns durch die
Sicherheit der Existenz der Unsicherheit ... verunsichern.
Deshalb gibt es Spezialagenten.
So wie mich, Jerry Lambswool.
Es war gegen 17 Uhr, als das Telefon neben meinem linken
Ohr zu detonieren schien. Ich war sofort hellwach. Dachte,
es sei Phil Checker, aber Phil Checker war tot.
Erschossen. Er starb in meinen Armen.
Das Werk von Terroristen. Schurken.
Aus Frankreich. Oder aus Deutschland. Elsässer vermutlich.
Checker also konnte nicht anrufen, schloß ich nach Faktenlage.
Ein Special-Agent-Gehirn funktioniert so.
Analytisch und scharf wie ein Playboy-Bunny.
Doch sogleich flackerte die Warnlampe ganz hinten unter der
Hirnschale wie ein defektes Firmenschild eines "Kentucky Fried Chicken".
Ein deutliches Signal. Mein Instinkt gab mir etwas zu verstehen.
Klarer Fall: ich hatte Hunger.
Aber beim FBCIA haben wir gelernt, mit so etwas umzugehen.
Das, und daß plumpe Logik so viel wert ist, wie eine Sonnenbrille
im Dunkeln. (Wobei wir der Sonnenbrille bei einer Werteabwägung
dieser Art im Zweifelsfall klare Priorität einräumen.)
Und noch etwas war klar: den Schurkenelsässern war mit Logik
nicht beizukommen. Die haben so einen Wein, den sie
"vendor tardy" nennen. Klare Provokation. Sind auch
noch stolz darauf, auf das "tardy", die Langsamkeit.
Klarer Anschlag auf die Gesetze des Weltmarktes,
wo jeder weiß: schneller Umschlag, sonst Krise.
Maulwürfe des Wirtschaftsterrorismus, die Elsässer.
Aber gerissen.Ich ließ das Telefon weiter klingeln.
Dachte konzentriert nach.
Ich würde den Schneckenfressern nicht auf den Leim gehen.
Nicht mit mir, dachte ich. Entschlossen hob ich den Hörer ab:
"Hallo Phil", kaute ich durch die Lippen und grinste in mich hinein.
"Phil ist tot, Mr. Lambswool. Hier spricht Edgar Gromit."
"Wieder ein Spezialauftrag?", fragte ich meinen Chef.
"Für einen speziellen Spezialisten, Jerry."
Spezieller Spezialist. Das war ich.
Sacco und Vanzetti, Bonnie und Clyde, Mickey und Mallory ...
ich war auf die ganz üblen Doppelwhopper programmiert.
Hörte gerade erst über ein neues Schurkenduo. Urbi und Orbi.
"Soll’s nach Italien gehen?", fragte ich Gromit also.
"Sie Teufelskerl!", entfuhr es ihm, "wie konnten Sie das wissen ..."
"Gehirne des FBCIA ..." schob ich lässig durch die Muschel. "Urbi und ..."
"Nein, diesmal ein nasser Job ganz anderer Art, Lambswool.
Die Toskana brütet ein geheimes Serum aus, wenn unsere
Satelliten sich nicht täuschen ..."
Toskana kannte ich. Bislang allerdings nur als Oper von Puccini
- aber warum zum Teufel sollten sich Spanien, Portugal, Ungarn,
Polen, Dänemark irren? "Ich für meinen Teil traue unseren
Satelliten, Chef", verkündete ich also, "wo finde ich die Schlampe?"
"Es ist ein Kerl, Jerry. Roberto Cipresso heißt er.
Befindet sich in Montalcino. Hat das Serum gemacht. Fahr hin und finde es."
Rasch packte ich aus meinem Fundus einen Wollpullover mit Elchmotiv ein.
Mimikri. Kunst der Tarnung. Ich konnte mit meiner Umwelt verschmelzen.
Aber: verdammt clever, die Italiener. Als mit der Maschine der
FinnAir landete, war Skandinavien wie leergefegt von Italienern.
Waren irgendwann umgezogen. Bringt denen natürlich nichts ein, außer
Punkte auf der Schurkenliste.
Wenig später landete ich in einem Kaff namens Pizza das zum Besuch
eines Turms einlud, stieg in ein Taxi und wies den Fahrer an,
zu Roberto Cipresso nach Montalcino zu fahren.
"Ah, La Fiorita!", verkündete er, "aber seien Sie nicht enttäuscht, Signor,
der Brunello kommt frühestens im August wieder raus."
Ich registrierte diese Information umgehend:
Brunello, offenbar Robertos Bruder, hatte man also bereits eingebuchtet.
Das würde das Mißtrauen Cipressos mir gegenüber schärfen. Da
nützte auch der Elchpullover nicht viel. Verdammt.
Geschickt lenkte ich das Gespräch in Richtung Serum.
"Serum, klar", kicherte der offenbar verblödetete Taxifahrer, "gibt’s da
bestimmt. Aber, Signor, es ist noch nicht so weit. Warten wir den
August ab. Da wird gefüllt."
Die Satelliten hatten natürlich recht. War mir klar.
Ungewöhnlich war nur, daß hier offenbar jeder einheimische
Laufbursche schon von dem Serum wußte. Die mußten sich ja verdammt sicher sein.
Und im August wird gefüllt. Offenbar wenn Brunello aus dem Knast kommt.
Das konnte kein Zufall sein!
"Dieser Brunello ...", begann ich.
"Göttlich, wunderbar, unbeschreiblich. warten sie den August ab. Sie werden selbst sehen."
"Den Teufel werde ich", knurrte ich, mehr für mich
und beschloß, den Kerl, dessen Einfluß bei uns offenbar
unterschätzt wurde, auf die Fahndungsliste gleich unter Bin Laden zu setzen.
Ich stieg in Sichtweite des Anwesens aus, das die Leute hier
"La Fiorita" nennen.
Die Sonne brannte und der Pullover kratzte. Also wartete ich
die Nacht ab und stieg im Schutz der Dunkelheit ein.
Nach kurzem systematischen Suchen wurde ich im Keller fündig. Fässer. Ungetarnt.
Es stand sogar Brunello drauf. Wie auf meinen CDs auf Sticker
zu lesen steht: Eigentum von Jerry Lambswool, also Hände weg, Fremder!
Hartgesotten sah mich nach einem Glas um das ich aus einem Faß füllte.
Das Zeug sah im Licht meiner FBCIA-Lampe wie Tinte aus. Ich roch am Glas.
Sollte das Wein sein? Normal roch der aber nicht.
Wohlig, irgendwie volltönend wie Basie’s BigBand.
Aber nicht mit "Jumpin at the woodside", eher "Lil Darling".
Dicht arrangiert mit warmen Sound. Sanft pulsierender Rhythmus.
Und da ist auch der Trompetenchorus, elegant mit Harmon-Mute gespielt.
"Scheiße, Lambswool, reiß dich zusammen", sagte ich in die Stille des Kellers.
Und roch erneut. Kirsche, Wacholder, Marzipan, Eukalyptus.
Ich nahm einen Schluck. Und dann noch einen. Schließlich füllte ich das Glas neu.
Und wieder neu. Und ob das Wein war, und was für einer!
Richtig kompakt noch, aber mit fruchtsüßen Anspielungen, wie
sie Mae West nicht besser hinbekommen hatte.
Das Tannin präsent wie Schwarzenegger, aber mit ausgestreckten
Händen in Samthandschuhen. Vollmundig wie ein Fernsehprediger.
Im Gleichgewicht wie dieser Stümper in "Mission Impossible",
als der am Seil von der Decke hing.
Kirschen, Beeren, Vanille, Holz, Apfelmus im langen Abgang:
das war ja ein ganzer verdammter Drugstore im Glas.
Gottverdammt, wenn das Zeug in Umlauf kam.
Wer würde dann noch unsere kalifornischen Exportschlager kaufen?
Schlagartig wurde mir Brunellos Plan klar.
Ein Attentat auf die Wirtschaft der wirklich freien Welt. Ich mußte handeln.
Mit eiligen Handgriffen setzte ich die Einzelteile meiner
Taschen-MP zusammen, als mir plötzlich aufging, daß das Licht
im Keller brannte. Wie lange schon?
Ich dreht mich um und wurde von einer Horde Uniformierter unsanft in Empfang genommen.
Meine Regierung kennt mich in solchen Fällen nicht. Das war mir klar.
Und die Wahrheit interessiert diese Europäer sowieso nicht. Ich schwieg also.
Und sitze hier ein. Verurteilt zu vier Monaten wegen bewaffneten
Einbruchs bei zweifelhafter Zurechnungsfähigkeit. Bis August.
Ich habe mich schon beim Zellenkumpel nach Brunello erkundigt.
Dachte, der sitzt vielleicht auch hier.
Der Zellenkumpel verstand mich nicht, bot mir aber im Tausch gegen
meinen Elchpullover ein Paar Flaschen Wein an.
Da hat der sich geschnitten, verdammich!
Wenn ich das Serum schon nicht verhindern kann, werde ich alles
von dem Zeug aufkaufen, was ich kriegen kann.
Und da kommt dann ein Sticker auf die Flaschen:
"Eigentum von Jerry Lambswool, also Hände weg, Fremder!"

Andreas Bürgel

P.S.: die Faßprobe des (desmzufolge tatsächlich noch nicht gefüllten)
98er Brunello von "La Fiorita" verdanken wir einer selbstlosen
Spende unseres HaStaLaVisTA (Hannover-Stammtisch der Lasziven
Visionäre mit TelefonAnschluß) - Kollegen Joachim Christ.
Ein kerniges "Urbi et orbi" an Alle.

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