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Es war einmal in Hollywood ...

Ich hing auf dem Studiogelände rum und wartete darauf, daß Rudd mir den wohlverdienten Schluck Bier brachte. Wir drehten eine ziemlich öde Kriegsschmonzette: mein Partner und ich wurden hinter den feindlichen Linien abgeschossen und hatten uns gerade bis zur Mittagspause durchgekämpft.
Der war übrigens genauso trübe wie die Story, mein Partner. Wenn ich da noch an meinen ersten Film denke: die kleine Liz - wirklich niedlich. Hatte nur eine schlechte Angewohnheit: sie tätschelte gern mein Hinterteil, obwohl ich ihr deswegen ordentlich die Zähne zeigte. Ließ sich nicht abschrecken und wenn Sie mich fragen: die wird den Kerlen noch mal ganz hübsch Ärger bereiten.
Aber ich kam mit ihr zurecht. Na klar, bin Profi. Bloß, daß ich gezwungen war, in dem Film ein Mädchen darzustellen ... so manchem alten Kumpel knurrte ich das anzügliche Grinsen aus dem Gesicht. Das Studio hatte ja zuerst einen Showstar mit englischen Vorfahren bis hin zu Queen Victoria zum Casting geladen, aber als es ans Eingemachte ging, war Sense. Sollte durch einen Fluß schwimmen und hat sich geweigert, weil die Dame gerade frisch frisiert war. Und Rudd – Rudd ist übrigens mein Manager – hat mich als Ersatz vorgeschlagen. Meine Interpretation der Szene war ein Knüller: ich stürzte mich in das verdammte Wasser und am anderen Ufer wie tot in die Rabatten. Das war’s.
Nach dem Film kam die Radio-Show und natürlich mußte irgendwann die Fortsetzung folgen. Deshalb hockte ich also auf dem Set, während die als Nazis verkleideten Statisten zur Kantine schlenderten. Vielleicht würde Peter mal kurz vorbeischauen. Er spielte gerade in einer ulkigen Story über zwei alte Damen, die reihenweise alleinstehende Kerle abmurksen. Mich haben sie ja auf das rührselige Fach festgelegt, aber so eine Komödie, das wäre mal was Echtes. Peter erzählte mir in seinen Pausen manchmal von seiner deutschen Heimat, während er die braunen Uniformen musterte. Wichtige Hintergrundinfos für meine Rolle. Aber es war nicht sein melancholisches Froschgesicht, das mich aufschreckte, sondern ein Duft, der mir geradewegs in die Hirnwindungen schoß und mich auf die Füße katapultierte.
Und dann fiel sie vom Himmel – eine blonde Schönheit, die hüftschwenkend vorüberschritt, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Ich folgte ihr und sie legte einen Zahn zu, doch ich blieb ihr auf den Fersen, als sie das Tor des MGM-Geländes passierte und scharf nach rechts bog. Sie sprang in einen Lieferwagen, der halb auf dem Bürgersteig parkte und ich weiß noch, daß ich dachte: "prima, jetzt hab‘ ich Dich!", als mich etwas Hartes zwischen den Ohren traf und mich für eine Weile ins Land der Träume schickte.
Vielleicht war es ihr Duft, der mich in die Welt zurückholte, vielleicht auch bloß das Gerüttel des Wagens auf unbefestigter Straße, keine Ahnung. Ich wußte nur: mein Schädel brummte wie ein vollbesetzter Grizzlychor und ich war entführt worden. Ich stellte mir lieber gar nicht erst vor, was Rudd sagen würde, wenn er die Lösegeldforderung bekäme.
Die Schönheit saß auf dem Beifahrersitz und warf mir über die Schulter einen entschuldigenden Blick zu. Ich schmolz dahin, logisch: sie gehörte zu den Guten, war zu der Sache gezwungen worden. Der Typ auf dem Fahrersitz hatte unseren stummen Austausch spitzgekriegt und drehte sich halb zu mir um.
"Bisse wach, Kleiner?"
Kleiner? Dem sollte mal jemand Respekt beibringen.
"Tut mich ja leid, das mi'm Flachlegn. Musse aber sein, damit de kein Wirbel nich machs."
Mannoman, außer seiner eigenwilligen Grammatik hatte der Knabe eine Fahne, die die Freiheitsstatue umgepustet hätte. Er klammerte sich mit der linken Hand ans Steuer, drehte mit der rechten eine leere Whiskeyflasche auf den Kopf und grunzte beleidigt.
Das war gut, sogar sehr gut! Vorausgesetzt, wir landeten nicht vorher an einem Baum, würde er irgendwann anhalten, um Nachschub zu besorgen. Bis dahin konnte ich mir in Ruhe eine Strategie überlegen.
Nach einer Viertelstunde, in der wir kein Schlagloch ausließen, stoppten wir an einer schmalen Holzbrücke, die über einen Fluß führte. Am anderen Ufer machte ich zwischen den Bäumen einen Laden aus.
Der Typ brabbelte:
"Papa’s gleich ssurück.", kippte aus dem Wagen und knallte die Tür zu. Das wurde immer besser. Vergaß das Superhirn doch glatt, abzuschließen, weil er nicht daran dachte, mit wem er es zu tun hatte. Ich wartete, bis er im Laden verschwunden war, kletterte nach vorn und öffnete die Tür.
Und meine Schönheit, würde sie mir folgen? Die Kleine drückte sich in den Sitz, sah mich mit großen Augen an. Hatte ich erwartet, ich weiß ja, wie das ist: sie können Dich noch so schlecht behandeln, aber Du verläßt sie nicht, denn sie sind Deine einzigen Kumpel.
Sie mußte sich wieder auf ihre Urinstinkte besinnen und ich versuchte es unter Aufbietung meines ganzen Charmes. Und der ist beträchtlich, da können Sie jeden meiner Fans fragen.
Aber dann hörte ich ein Geräusch und fluchte. Der Tag der verdammten Schlüsselreize, Pawlow möge in der Hölle schmoren. Ich versuchte, mich zu konzentrieren, mich taub zu stellen, aber natürlich hatte ich das satte Röhren von Anfang an identifiziert: es war eine Indian Sport Scout, die irgendwo hinter dem Laden ihre Runden drehte. Ich stemmte mich mit meinem ganzen Gewicht in den Sitz, aber als der Motor noch einmal aufjaulte, stürzte ich aus dem Wagen.
Ich raste über die Brücke, auf der mir mein Entführer entgegentorkelte, in jeder Hand zwei Whiskeyflaschen, die er offenbar nach mir werfen wollte. Mit voller Fahrt rammte ich ihn und rannte weiter, ohne nach links oder rechts zu sehen. Und da war sie auch schon: rot und weiß mit weich geschwungenen Kotflügeln. Ich jagte die Maschine kreuz und quer über den Parkplatz bis sich in meinem Kopf alles drehte.
Mit brennender Kehle und leicht verwirrt versuchte ich endlich, die Orientierung wiederzugewinnen und wandte mich zurück zur Straße.
Auf der Brücke stand meine Kleine und starrte hinunter ins Wasser. Ich machte, daß ich zu ihr kam und dann starrten wir gemeinsam.
Mein Entführer wühlte mit Armen und Beinen das Wasser auf, ging unter, kam wieder hoch, paddelte hektisch und machte einen ziemlich nüchternen Eindruck. Eine paar Scherben glänzten auf der Brücke, sonst war von seinen Flaschen nichts mehr zu sehen.
Er gurgelte, würgte, spuckte und kämpfte und schrie endlich:
"Holt mich raus! Kann nich schwimmen, holt mich, holt ... ."
Ich wollte ihm helfen - wie das eben so mein Job ist, aber dann sah ich die Kleine an. Sie schüttelte den Kopf, bleckte die Zähne und trabte davon, wobei sie graziös die Scherben umtanzte.
Verdammt, sie hatte Recht, von ihr konnte sogar ich noch lernen. Solche wie der da unten hatten lange genug ihr Spiel mit uns getrieben, mochte er zusehen, wie er sich rettete. Ich war dafür nicht mehr zuständig:
"Ich bin nicht Lassie. Ich bin Pal. Und jetzt sorgen wir erstmal für Nachwuchs!"

Epilog

Pal war der Collierüde, der als Ur-Lassie in "Lassie come home" (mit Elizabeth Taylor) Lassies Ruhm begründete. Er bekam die Rolle, weil sich die eigentlich vorgesehene Hündin bei Probeaufnahmen weigerte zu schwimmen. 1946 kam das Sequel "Son of Lassie" heraus: Pal ist Lassies Sohn Laddie und wird mit seinem Besitzer, einem Piloten, über dem von den Nazis besetzten Norwegen abgeschossen. Ich kenne den Film nicht (ebensowenig wie "Lassie come home"), nehme aber stark an, daß es sich um eine öde Kriegsschmonzette handelt. Man möge mir verzeihen.
Pal und sämtliche weiteren Lassies (alles Nachkommen Pals) wurden von dem Tiertrainer Rudd Weatherwaxx ausgebildet, dem zwar viel gelang, aber leider nicht, Pal seine größte Leidenschaft abzugewöhnen: die Jagd auf Motorräder.
Ob Pal sich je mit Peter Lorre unterhalten hat, darf man getrost bezweifeln, aber immerhin drehten beide für MGM und "Arsenic and old Lace" erschien im selben Jahr wie "Son of Lassie". Auch über eine Entführung Pals ist nichts bekannt und daß Pal gerne mal ein Bierchen kippte, ist reine böswillige Unterstellung meinerseits.

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